#stadtgewaechs: Insektenrangerin Tine Klink

veröffentlicht am 5. August 2021 | Kategorie: Nachhaltigkeit

Stadtsparkasse Augsburg; Insektenrangerin; Umweltstation Augsburg

Tine Klink ist als Insektenrangerin in Sachen Artenschutz in Augsburg unterwegs.

Nicht alles, was blüht, ist gut für Insekten – schon gewusst? Mit ihrem Rad ist Insektenrangerin Tine Klink von der Umweltstation in der ganzen Stadt unterwegs, um Bürgerinnen und Bürger in Sachen Artenvielfalt zu beraten. Gefördert wird das Projekt durch die Stadtsparkasse Augsburg. Heute auf dem Programm: der Katholische Friedhof in der Hermanstraße. Wir schauen der Insektenrangerin bei ihrer Arbeit über die Schulter.

Artenschutz-Biotop Friedhof?
Was kann ein Friedhof zur Artenvielfalt beitragen, zumal mitten in der Stadt? So einiges, fragt man Tine Klink. An einem sonnigen Freitagmittag trafen sich der Geschäftsführer, Herr Michael Müller, der Umweltbeauftragte der Diözese, Herr Dr. Karl-Georg Michel, mit Insektenrangerin Tine Klink und Anke Mittelbach vom Landschaftspflegeverband auf dem Katholischen Friedhof in der Hermanstraße zu einer Begehung. Schöpfungsverantwortung, so benennt das Bistum Augsburg sein Anliegen, sich auf den eigenen Liegenschaften und darüber hinaus für Umwelt- und Artenschutz zu engagieren. Vom Kindergarten zum Kirchenvorplatz – die Standorte sind vielfältig. Heute ist es also ein Friedhof, der eines näheren Blickes bedacht wird.

Feuerwanzen; Totholz; Insektenrangerin; Umweltstation Augsburg

Ein abgestorbener Baum: ein Paradies für Insekten und Käfer wie diese roten Feuerwanzen.

Totholz als Käferparadies
Die Herausforderungen: viel Schatten, traditionelle Grabpflegekonzepte und Menschen mit immer weniger Zeit. Insekten lieben es warm und sonnig. Der fast 400 Jahre alte Friedhof, der einst vor den Toren der Stadt lag, bietet mit seinen knapp 200 Bäumen vor allem Vögeln ein Zuhause. Doch auch die brauchen Nahrung. Ein näherer Blick zeigt: Gerade Totholz ist ein Paradies für Käfer, wie zum Beispiel die leuchtend roten Feuerwanzengesellschaften am Fuße einer alten Linde. Hier empfiehlt Tine Klink, so viel Holz wie möglich zu erhalten. In Absprache mit den Friedhofsgärtnern, die die Sicherheit beurteilen, könnten zum Beispiel im Sturm abgeknickte Baumstümpfe stehenbleiben. Ein Stapel alter Baumstämme als Insektenparadies an der Friedhofsmauer? Geschäftsführer Michael Müller kann sich das an ausgesuchten Stellen gut vorstellen. „Wir haben ja jetzt schon abgestorbene Bäume, die wir für Vögel bis zu einer gewissen Höhe stehen lassen“. Nur müsse es halt so aussehen, dass es den Besuchern des Friedhofs und den Grabbesitzern auch zu vermitteln sei. Sonst würde es wohl Beschwerden geben, so seine Sorge.

Umweltbeauftragter Dr. Michel weiß Rat: manches ließe sich lösen, wenn mittels Tafeln auf den Standort und seinen Zweck hingewiesen würde. Information als Verbindungsstück zwischen Artenschutz und ästhetischen Bedürfnissen. „In Sachen Nachhaltigkeit ist es oft so, dass wir Menschen erst einmal dazu bringen müssen, überhaupt darüber nachzudenken“, sagt Tine Klink. „Ein Friedhof ist ja zum Beispiel auch ein Ort der Erholung, wo wir es genießen, wenn die Vögel zwitschern. Was aber braucht es, dass sich Vögel hier wohlfühlen? Sich bewusst zu machen, dass da ein Kreislauf dahinter steht, dieses Umdenken – da müssen wir hin.“

Es muss nicht immer die Blühwiese sein

Freiflächen, die der Friedhof selbst gestalten dürfte, existieren an verschiedenen Stellen, darunter auch sonnige Lagen. Hier könnten magere, sandige Kiesflächen entstehen, bepflanzt mit der üppig blühenden Fetten Henne, Hauswurz und anderen Trockenmauerpflanzen. Auch Kräuter bilden eine gern genommene Insektennahrung. Steingarten oder Magerwiese: eine Gestaltung, die im Übrigen gar nicht so abwegig ist für Augsburg und die Flora des Lechfelds mit seinen Lechtalheiden. Nicht immer muss es nämlich die vielgepriesene Blühwiese mit der immer gleichen Saatgutmischung sein. Oft lohnt sich, den gewählten Standort mit ortsangepassten Pflanzen insektenfreundlicher zu gestalten.

Welche Pflanzen dafür in Frage kommen? Hier empfiehlt die Insektenrangerin, regionale und Biogärtnereien zu Rate zu ziehen, die für jeden Standort, ob schattig, sonnig, feucht oder trocken, eine große Bandbreite insektenfreundlicher Gewächse anbieten. Vor allem aber, so Tine Klink, gilt es, die hochgradig pestizidbelasteten Pflanzen der Gartencenter zu vermeiden. Selbst für den Kompost seien diese noch zu giftig. Auch üppig gefüllte Blüten und Zierpflanzen bieten Insekten keine Nahrung. Ein Blick auf die Gräber illustriert das deutlich: die omnipräsenten Begonien liegen still in der Sonne, während auf den vereinzelt am Wegesrand blühenden Unkräutern ein reger Flugverkehr herrscht.

insektenfreundliches Grab; ARGE Augsburger Friedhofsgärtner, Insektenrangerin, Friedhof Hermanstrasse

Pflegeleicht und wunderschön anzuschauen: ein insektenfreundliches Grab

Pflegeleicht und von überbordender Schönheit: insektenfreundliche Gräber
Genau hier setzt ein Grab an, das die ARGE Augsburger Friedhofsgärtner zu Schauzwecken angelegt hat. Großblättriges Johanniskraut, Lavendel, Fette Henne, Storchschnabel, Akelei, Ziergräser, Heidekraut und diverse Stauden blühen hier wie auf einem dicht gewebten Teppich eng beieinander. Manches duckt sich eng am Boden, anderes schwebt elegant in der Höhe. Ein wunderschöner Anblick, den nicht nur wir Menschen zu schätzen wissen: es brummt und summt auf diesem Grab. Ist so ein Grab erst einmal angelegt, genügen ein, zwei Pflegetermine pro Jahr, sagt Anke Mittelbach vom LPV dazu. Tatsächlich ist ein dicht bepflanztes, insektenfreundliches Beet langfristig viel pflegeleichter als ein steriles Grab mit nackter Erde und immer wieder auszuwechselnden Zierpflanzen aus dem Supermarkt, da die Erde nicht so schnell austrocknet und Unkräuter kaum Platz finden: gute Nachrichten in einer Zeit, in der immer weniger Menschen Zeit und Muse haben, jede Woche mehrere Stunden in Grabpflege zu investieren.

Umweltstation Augsburg, Insektenrangerin, Katholischer Friedhof Hermanstrasse

Wo können Grünflächen insektenfreundlicher werden? Insektenrangerin Klink weiß Rat.

Umdenken ist gefragt

Bei seinem Bestreben, im Friedhof die Artenvielfalt zu fördern, steht Geschäftsführer Müller also vor der Herausforderung, zwei Spannungsfelder miteinander zu verbinden: die Ansprüche der Natur und die Erwartungen der Grabbesitzer an ein pietätvolles Umfeld. Deshalb sind der Besuch der Insektenrangerin und ihre Tipps für ihn sehr wertvoll. Besonders großen Anklang fand die Idee, verwaiste Gräber an Stadtbewohnerinnen und Bewohner zu vermitteln, die gerne ein kleines Stückchen Garten gestalten würden. Hier erhält Tine Klink in ihrer ehrenamtlichen Arbeit als Sprecherin des Arbeitskreis Urbane Gärten immer wieder Anfragen. Auch für Kindergärten könne so eine Grabpatenschaft ein schönes Projekt sein. Letztlich liegt die Gestaltung der Gräber aber in den Händen ihrer Besitzer. Dieser Hinweis ist Herrn Müller sehr wichtig. Und doch sieht er es als seine Aufgabe an, mit dem Hermanfriedhof, der schon jetzt eine grüne Oase ist, die Menschen zum Umdenken anzuregen, damit es noch mehr blüht und summt – mitten in der Stadt.

 

Die Insektenrangerin ist ein Projekt der Umweltstation und wird unterstützt von der Stadtsparkasse Augsburg. Privatleute, Unternehmen, Institutionen und Siedlergemeinschaften in Augsburg erhalten von ihr auf Wunsch kostenlose Beratung, wie sich Grünflächen und Gärten insektenfreundlicher gestalten lassen. Mehr Infos finden Sie auf der Homepage der Umweltstation.