#stadtgewaechs: Augsburg ist Fairtrade-Stadt
Gastbeitrag von Ute Michallik, Sprecherin der Steuerungsgruppe Fairtradestadt Augsburg
Seit Sommer 2010 ist Augsburg Fairtrade-Stadt. Aber was heißt das? Diese Auszeichnung wird vom Verein TransFair an Kommunen vergeben, die sich besonders für den Fairen Handel engagieren. Die Kampagne Fairtrade-Towns ist eine internationale Bewegung: Weltweit tragen bereits über 2.200 Städte und Gemeinden in 36 Ländern den Titel Fairtrade-Town, darunter in Japan, Schweden, Ghana, Brasilien und Costa Rica. Vorreiter bei der Kampagne Fairtrade-Towns ist Großbritannien. Dort geben die Menschen pro Kopf auch am meisten Geld für fair gehandelte Produkte aus.
Welche Bedingungen muss eine Fairtrade-Stadt erfüllen?
Das müssen die Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitik tun
Zuerst muss der Stadtrat einen Beschluss fassen, dass er den Fairen Handel fördern will. In einer Fairtrade-Stadt trinken die Stadträtinnen und Stadträte bei Sitzungen fairen Kaffee, Tee oder Orangensaft, das gleiche gilt für Empfänge. Da kann es dann auch mal Wein oder Knabberzeug aus fairem Handel sein. Die Stadtverwaltung Augsburg hat außerdem beschlossen, keine Produkte aus ausbeuterischer Kinderarbeit einzukaufen und achtet, soweit es geht, auf eine nachhaltige Beschaffung, z.B. bei Berufskleidung, beim Blumenschmuck oder Pflaster im Straßenbau.
Das müssen die Bürgerinnen und Bürger tun
Entscheidend für eine Fairtrade-Stadt ist die Zusammenarbeit von Politik und Stadtgesellschaft. Deshalb ist die wichtigste Voraussetzung eine sogenannte Steuerungsgruppe, in der Menschen aus verschiedenen Bereichen zusammenarbeiten. Diese Gruppe steht vor der Herausforderung, den Fairen Handel in der Stadt ständig voranzubringen, denn das Ziel, dass die Mehrzahl der Bürger*innen fair einkauft liegt noch in weiter Ferne. In der Steuerungsgruppe findet die Vernetzung von Politik, Eine-Welt-Läden, Medien, Kirchengemeinden, Schulen usw. statt. Dort werden Aktionen und Öffentlichkeitsarbeit geplant.
Das muss der Handel tun
Eine Fairtrade-Stadt braucht natürlich das entsprechende Angebot, d.h. es muss ausreichend Läden geben, in denen die fair gehandelten Produkte angeboten werden. Das ist in Augsburg im Gegensatz zu früheren Zeiten kein Problem mehr. In allen Supermärkten findet man das Standardsortiment an Kaffee, Tee, Schokolade, Bananen, Zucker, Eiscrème oder Rosen. Dort erkennt man die Produkte am blau-grünen Fairtrade-Siegel. Die größte Auswahl an Lebensmitteln, Kunsthandwerk und Textilien gibt es aber im Weltladen. Nachdem es dort ausschließlich fair gehandelte Produkte gibt, brauchen sie kein zusätzliches Siegel. Eine weitere Voraussetzung ist, dass es ausreichend Cafés, Lokale und Bäckereien mit fairen Getränken gibt. Seit Augsburg Fairtrade-Stadt ist, hat sich hier viel getan. Eine Menge Lokale und Biergärten machen mit. In diesem Flyer sind sie aufgeführt. Besonders engagiert sich z.B. die Kulperhütte, bei der es nicht nur Kaffee gibt, sondern auch Tee und Kakao aus fairem Handel.
Wer muss außerdem mitmachen?
Damit man Fairtrade-Stadt wird, müssen auch öffentliche Einrichtungen wie Kirchengemeinden, Kitas oder Schulen mitmachen. Augsburg kann stolz sein, dass es mittlerweile vier Fairtrade-Schulen gibt (Anna Gymn., Realschule St. Ursula, Fugger Gymn. und Maria Ward Gymn.). Außerdem beteiligen sich zahlreiche Kirchengemeinden, die regelmäßig Aktionen durchführen oder nach dem Gottesdienst Faire Produkte verkaufen.
Tue Gutes und rede darüber
Ganz wichtig für eine Fairtrade-Stadt: Die Medien müssen regelmäßig über Aktionen berichten. Dafür gibt es von TransFair regelmäßig Kampagnen, wie z.B. die Aktion „Faires Frühstück“ oder die „Faire Woche“ im September, bei der sich der Handel und die Weltläden beteiligen können.
Alle diese Bedingungen sind in Augsburg prinzipiell erfüllt und müssen alle zwei Jahre wieder nachgewiesen werden. Durch Corona sind im letzten Jahr die Aktivitäten weitgehend zum Erliegen gekommen und wir freuen uns, wenn sich neue Leute finden, die Lust haben, sich mit Ideen, Impulsen und Tatendrang einzubringen!
Warum ist Fairer Handel so wichtig?
Mit dem Kauf fair gehandelter Produkte zur weltweiten Armutsbekämpfung beitragen
TransFair unterstützt seit 1992 benachteiligte Kleinbauern und Genossenschaften in sogenannten Entwicklungsländern und vergibt das Fairtrade-Siegel. Dieses Siegel bekommen Produkte Kaffee, Tee, Schokolade, Bananen, Honig, Reis, Zucker, Wein, Baumwolle oder Rosen, die unter fairen Arbeitsbedingungen und der Einhaltung von Umweltstandards hergestellt werden. Dafür sind sie etwas teurer. Der Mehrerlös sichert Kleinbauern, die meist zu Kooperativen zusammengeschlossen sind, die Existenz. Der faire Preis versetzt sie in die Lage, Lagerhäuser, den Umstieg auf Bio-Anbau, Schulen, oder Krankenstationen zu finanzieren. Die Kleinbauern können damit der bitteren Armut entkommen, langfristig in ihren Dörfern leben und müssen nicht mit ihren Kindern in Großstadtslums abwandern.
Entscheidend ist aber, dass es nicht nur um die Armutsbekämpfung und finanzielle Absicherung geht. Fairer Handel kann viel mehr. Er verschafft Zugang zu Märkten und Knowhow bei der Produktentwicklung. Beispiel: Der Mango Bauer von den Philippinen braucht eine Kooperative und Unterstützung, um seine getrockneten Mangos auf dem europäischen Markt zu verkaufen. Der Faire Handel unterstützt die Qualifizierung bei Steigerung der Produktivität, bei der Bewältigung des Klimawandels und beim Bioanbau. Er verschafft Kindern die Möglichkeit des Schulbesuchs anstatt auf Kakaoplantagen arbeiten zu müssen. Ganz wichtig: die Frauenförderung! Wenn Frauen an Produktionsmitteln beteiligt sind und wirtschaftliche Verantwortung übernehmen, ist der langfristige Erfolg von Maßnahmen viel größer. Und Fairer Handel trägt immer zu Ressourcen- und Umweltschutz bei. Der Bioanbau nimmt stark zu, aber auch ohne Biosiegel handelt es sich immer um einen umweltschonenden Anbau in Mischkulturen.
Eine gute Übersicht über die Arbeitsschwerpunkte und die Wirkung des Fairen Handels ist hier aufgeführt.
Wo findest du den Fairen Handel in Augsburg? Wo gibt’s Infos dazu?
Der Weltladen und die Werkstatt Solidarische Welt
Einkaufen und dabei die Welt verbessern? Das ist im Weltladen in der Altstadt ganz einfach, weil dort alles fair produziert und gehandelt ist. Es gibt natürlich nicht nur ein großes Lebensmittelsortiment. Du kannst auch zwischen Kunsthandwerk, Mode, Geschirr, Heimtextilien und Lederwaren stöbern. Die Mitarbeiter*innen arbeiten fast alle ehrenamtlich! Ebenfalls ehrenamtlich wird die eigene Kaffeerösterei betrieben. Drei Kaffeesorten und ein Espresso werden mehrmals die Woche frisch im Laden geröstet und finden reißenden Absatz, wie zum Beispiel beim Unverpackt Laden RutaNatur, der den Kaffee in Pfandeimern geliefert bekommt.
Zwei besondere Produkte gibt’s dort auch: Die Faire Augsburger Stadtschokolade und den Fairen Augsburg Fußball, beides im speziellen Augsburg Design. Die Schokolade, die aus zwei kleinen Tafeln heller und dunkler Milchschokolade besteht, zeigt die bekannten historischen Gebäude aus der Renaissance. Das Motto der Schokolade lautet: Von der Handelsstadt zur Fairhandelsstadt.
Der Fußball, ein zertifizierter Trainingsball, hat als Design farbenfrohe Punkte. Insider wissen sofort – das sind die Zukunftsleitlinien der Stadt Augsburg! Die Piktogramme bilden symbolisch eine der 20 Leitlinien ab. Die vier Farben stehen jeweils für eine Dimension der Nachhaltigkeit: Die ökologische, die ökonomische, die soziale und die kulturelle Zukunftsfähigkeit. Fair heißt bei der Fußballproduktion: Die Näherinnen und Näher bekommen einen überdurchschnittlichen Lohn, sind sozialversichert und arbeiten unter gesunden Arbeitsbedingungen. Gemeinsame Projekte werden mit der Fairtrade-Prämie finanziert. Die Umweltstandards sind hoch: Die Bälle sind aus PU-Kunstleder ohne PVC mit schadstofffreien Druckfarben.
Oberhalb vom Weltladen hat die Werkstatt Solidarische Welt e.V. ihren Sitz. Sie ist der Bildungsverein vom Weltladen, informiert rund um die Themen der Einen Welt, leiht Material dazu aus und organisiert Veranstaltungen sowie Aktionen zum Globalen Lernen. Ein fester Bestandteil des Programms sind jedes Jahr im November die Afrikanischen Wochen.
Faire Mode in Augsburg
Das Thema Nachhaltige Kleidung wird vielen Konsumentinnen und Konsumenten immer wichtiger und in Augsburg gibt es mittlerweile etliche Möglichkeiten, beim Klamottenkauf auf Nachhaltigkeit zu achten, d.h. Kleidung zu kaufen, die unter sozial-ökologischen Bedingungen produziert wird – oder gleich second hand ist. Alle Läden finden sich auf dem Rundgang zu Nachhaltiger Mode vom Lifeguide Augsburg, dem Internetportal für nachhaltigen Lebensstil in und um Augsburg. Beim Lifeguide befindet sich auch eine Übersicht über die verschiedenen Textilsiegel und ihre Bedeutung.
Fairer Kaffee in der Augsburger Gastronomie
In elf Jahren Fairtradestadt hat sich in den Gastronomiebetrieben viel getan. Fairen Kaffee anzubieten, gehört für verantwortungsbewusste Cafés, Biergärten, Restaurants und Bäckereien heute zur Selbstverständlichkeit. In diesem Flyer sind sie aufgeführt. Wenn Sie ein Lieblingslokal besitzen, das noch keinen Fairen Kaffee ausschenkt, fragen Sie doch mal nach.
Das Fugger- und Welser Erlebnismuseum
Augsburg hat als alte Handelsstadt schon im 15./16. Jahrhundert Erfahrungen mit der Globalisierung gemacht. Der Welthandel hat der Stadt und den einflussreichen Kaufmannsfamilien Reichtum beschert, der aber auf Kosten der Menschen in den europäischen Bergwerken als auch in Südamerika ging, die rücksichtslos ausgebeutet wurden. Die Arbeitsbedingungen und die Handelswege in der frühen Neuzeit zeigt sehr anschaulich das Fugger- und Welser Erlebnismuseum. Es beleuchtet mit dem »Zeitalter der Fugger und Welser« nicht nur eine lehrreiche Vergangenheit. Zu jedem Themengebiet stellen kurze Texte einen Bezug zur Gegenwart her. Sie regen dazu an, sich mit den historischen Inhalten auf lebendige Weise auseinanderzusetzen. Es gibt viele Möglichkeiten zur Interaktion und neueste Museumstechnik.
Infos zum Fairen Handel und zum Nachhaltigen Konsum in Augsburg
Das KonsuMensch Heftchen
Eines der Erfolgsprojekte auf dem Weg zur Fairhandelsstadt ist das KonsuMensch Heftchen – der Fair-Führer für Schülerinnen und Schüler. Die erste Auflage erschien 2007 – und war ruckzuck vergriffen. Auf den Spuren nachhaltiger Produkte zeigt das Heft im Pixibuchformat beispielsweise die Weltreise einer Jeans oder die Herstellung von Turnschuhen. Am Beispiel von Kaffee, Kakao und Orangensaft wird erklärt, wie wir gerechte Arbeitsbedingungen mit dem Fairen Handel unterstützen können. Oder es taucht die Frage auf, wieso unser Fleischkonsum zum weltweiten Hunger beiträgt. Mittlerweile ist die 4. Auflage erschienen, damit sich möglichst viele Kinder sowie ihre Lehrerinnen und Lehrer auf unterhaltsame Art und Weise mit dem ernsten Thema nachhaltiger Konsum auseinandersetzen können. Als Klassensatz erhältlich beim Nachhaltigkeitsbüro: 0821 324-7325.
Der Lifeguide Augsburg – das Internetportal für nachhaltigen Lebensstil in und um Augsburg
Im Lifeguide findet man alles, was man zum Nachhaltigen Lebensstil braucht: Adressen zu entsprechenden Läden, Tipps für alle Lebenslagen und zum Aktivwerden, schöne Orte, aktuelle Reportagen und vieles mehr. Man kann sich endlos auf den schön gemachten Seiten aufhalten und durchklicken.
Der Lifeguide ist ein nicht kommerzielles, werbefreies Internetportal und fördert soziales und ökologisches Leben und Wirtschaften. Es will dazu anregen, gemeinsam Verantwortung für eine lebenswerte und gerechte Zukunft zu übernehmen. Die Inhalte – Artikel, Orte, Termine und Links – sollen einen ökologisch, ökonomisch, sozial und kulturell nachhaltigeren Lebensstil ermöglichen. Träger des Portals ist der gemeinnützige Verein Lifeguide Region Augsburg e.V., der sich aus öffentlichen Geldern und Spenden finanziert. Einfach mal reinschauen: www.lifeguide-augsburg.de
Wer lieber etwas in die Hand nehmen möchte – es gibt den Lifeguide auch als Buch, das eine Tour zu mehr als 200 nachhaltigen Orten in Augsburg und im Umland anbietet.
Die Lokale Agenda 21
Die Fairtrade-Stadt Augsburg und der Lifeguide sind Teil der Lokalen Agenda 21. Das ist der Augsburger Nachhaltigkeitsprozess, in dem sich seit über 25 Jahren engagierte Augsburgerinnen und Augsburger für die Nachhaltige Entwicklung einsetzen. Der Leitgedanke lautet: Global denken – lokal handeln. Mit dabei sind Umwelt- und Eine-Welt-Gruppen, Bildungs- und Forschungseinrichtungen, kirchliche Gruppen, Vertreter der Wirtschaft, der Stadtverwaltung und andere Organisationen. Gemeinsam arbeiten sie für eine zukunftsfähige und lebenswerte Stadt Augsburg. Alle Infos und Kontakte gibt’s hier. Wer aktuell über die vielen Projekte und Aktivitäten informiert sein will, kann die zweimal jährlich erscheinende Agenda Zeitung bestellen, digital oder als Print.
Ute Michallik
Sprecherin der Steuerungsgruppe Fairtradestadt Augsburg
u.michallik@posteo.de
Dieser Artikel ist Teil unserer Kampagne für mehr Nachhaltigkeit in der Region. Alle Infos zu unseren Maßnahmen, zu Kampagne, Events und Gewinnspielen finden sich unter #stadtgewaechs.